Bei vielen europäischen Übereinkommen fehlen die Briten. So auch beim Fiskalpakt oder der Bankenunion. Erst wenn die Investoren ihre Gelder abziehen, der Wirtschaftsmotor ins Stocken gerät und andere Länder die Rolle der EU als Exportpartner einnehmen, dann wird sich auch der kleine Mann von der Straße fragen: "Wir waren ja dabei. Weshalb sind wir es nicht mehr?" Noch heikler könnte es nach einer möglichen Abspaltung Schottlands 2014 und dessen Verbleib in der EU werden. Somit bliebe als einziges das Kernland des Commonwealth vor den geschlossenen Toren des Europäischen Binnenmarktes. Inwieweit vielleicht eine Sonderstellung wie bei der Schweiz oder Liechtenstein gewünscht wird, bleibt freilich abzuwarten. In London wird der Tory Cameron zwischenzeitlich als der große Held gefeiert. Von seinen Kritikern erhält er Applaus, die Zeitung "Daily Telegraph" hebt ihn auf den Thron - er habe den Wählern den "Schlüssel zum Ausgang" überreicht - etwas, das nicht mal die Eiserne Lady Margret Thatcher gewagt habe. Die politischen Gegner im Unterhaus, die Labour Party ist gespalten. Ed Miliband, Führer der Opposition, spricht von Unsicherheit, die sich zudem auf die britische Wirtschaft auswirke. Tatsächlich könnte Camerons politische Attacke zeitlich nicht besser kommen. Anfang Februar soll das siebenjährige Budget der EU beschlossen werden. Der britische Premier kritisierte bereits im Vorfeld, weshalb allerorts von Sparen gesprochen wird und Brüssel weiterhin das Geld mit vollen Händen verprasst.
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Allerdings steht er mit seiner derzeitigen Haltung nahezu allein auf weiter Flur: Die europäischen Amtskollegen halten sich sehr zurück. Kanzlerin Angela Merkel meinte, man könne darüber reden; der Nachbar, die Niederlanden, wollen sich nicht in interne britische Angelegenheiten mischen; auch die ansonsten aufgeschlossenen Skandinavier aus Dänemark und Schweden betonen, dass ein Kerneuropa wichtig sei. Es habe lange gedauert, bis der Lissabon-Vertrag von 2009 geschnürt war. Niemand will ihn derzeit wieder aufknüpfen! Cameron will die EU zugunsten Großbritanniens reformieren, er will mehr Sonderrechte. Das Empire wurde zuletzt neben der starken deutsch-französischen Achse immer mehr ins Abseits gedrängt. Auch wenn Cameron betont, dass er nicht als jener Premier in die Geschichte eingehen möchte, der das Königreich aus der EU geführt habe (es gebe keine Rückfahrkarte!), so sind doch viele im Land der Ansicht, dass die Staatengemeinschaft gar nicht vonnöten ist. Als damals die Beitrittsabstimmung im britischen Unterhaus auf der Tagesordnung stand, wurden einige der ansonsten so kühlen und distinguierten Abgeordneten gar handgreiflich. Was geschieht wirklich, wenn es zu einem Referendum und zu einem "Nein" zur EU kommt??? Soll man Reisende aufhalten? Denn schließlich traf die Textzeile "Rule Britannia, Britannia rule the waves" aus der inoffiziellen englischen Nationalhymne ("Rule Britannia" von Thomas Augustine Arne, James Thomson und David Mallet) zumindest in Sachen EU nach Tony Blair überhaupt nicht mehr zu! Ulrich Stock
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TAM-News |
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Online-ZeitungGroßbritannien und die EU |
30.01.2013 |
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